Der März und der Oktober – irgendwie sind das die Monate, in denen die meisten Tagungen zu Bildungsthemen stattfinden. Zumindest solche, zu denen ich eingeladen werde. Das hatte zur Folge, dass ich innerhalb von sieben Tagen an fünf Veranstaltungen teilnahm, elfmal Vorträge hielt und nur an einem Tag keinen Unterricht an meiner Schule gehalten habe. Aber was bleibt außer einem erschöpften Referenten? Das ist für mich die große Frage, die ich mir in diesem Blogbeitrag stellen möchte.

Wann geht’s los?
Nun kann man getrost von Aufbruchstimmung sprechen, so viele Teilnehmer an Tagungen hatte ich selten gesehen. Ok, einige kamen vielleicht auch gezwungenermaßen, aber bei vielen konnte ich sehen, das Thema „Digitalisierung“ kommt in der Schule und auch bei den einzelnen Lehrern an. In Bayern sollen jetzt Gelder zur Verfügung gestellt werden, wenn Schulen mit einem Medienkonzept ihre Umsetzung benennen könne. „Tolle Idee, lasst uns alle ein Medienkonzept schreiben.“ „Aber Moment, was schreiben wir da rein?“

Schaut man sich die Realschule am Europakanal in Erlangen an (Keynote Markus Bölling in Neunburg vorm Wald), dann gibt es zahlreiche tolle und vor allem wertvolle Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten, wenn man die passende Technik im Haus hat. Zu Recht betont da Staatssekretärin Koch-Kupfer bei der Tagung in Wolmirstedt (Sachsen-Anhalt), dass wir zuerst die technischen Voraussetzungen an Schulen gegeben haben müssen, bevor es losgehen kann.

„Moment“, ruft da der Bildungsexperte und charismatische Josef Buchner dazwischen: „Wer plant und gestaltet denn die Pädagogik neu? Wir können doch nicht einfach Technik vor Pädagogik setzen!“ Recht hat er. Aber was schreiben wir denn jetzt in unseren Medienentwicklungsplan? Wenn wir keine ersten „Feldversuche“ machen, laufen wir Gefahr, alten Wein in neue Schläuche zu pressen. Wenn manche erste Versuche machen, dann hören sie vielleicht schnell wieder auf, weil die Technik (noch) nicht reibungslos läuft. Überhaupt: Dürfen wir überhaupt Technik einsetzen, wenn doch alles digital dement macht? Dr. Astrid Carolus nahm sich in Diedorf engagiert die Thesen von Spitzer vor, um zu zeigen, wie wenig wissenschaftlich haltbar seine Argumente sind.

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Oft wird an dieser Korrelation- und Kausalzusammenhang vermischt und zu den eigenen Gunsten ausgelegt. Nachdem sie das anhand einiger Beispiele konkret veranschaulicht hatte, gab es eine Wortmeldung einer Teilnehmerin: „Ich kann das nicht bestätigen, was sie sagen. Ich kenne eine Schülerin, die ist depressiv geworden, weil sie ein Smartphone hatte.“ Auch Frau Carolus fehlten anschließend ein wenig die Worte, aber dies ist das Spannungsfeld in der Lehrerschaft.

Am besten gefiel mir hier der Satz von unserem Staatssekretär Eisenreich:

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Muss alles digital sein? Nein! Aber das darf auch keine Ausrede sein, ausschließlich auf das Analoge in der Schule zu setzen. Wir sind im Jahr 2017. Wer jetzt glaubt, Schule muss der letzte Ort des ausschließlich Analogen sein, der entzieht sich auch ein wenig der Realität, auf die er als Lehrer seine SchülerInnen ja vorbereiten sollte. Es geht nicht um ein entweder/oder, sondern ein sowohl/als auch, aber das bei jedem Fach und jeder Unterrichtsstunde.

Alles digital oder was?
Die Frage, was am Schluss bleibt, kann ich abschließend immer noch nicht klären. Gehen alle zurück in den Unterricht und denken sich: „Schön, aber ich brauche erst einmal… bevor ich anfange?“ Oder werden die Impulse weitergetragen? Am Ende bleibt Lehre individuell und ist von pädagogischer Freiheit geprägt, dementsprechend ist die Änderung der Bildung unter den Voraussetzungen der Digitalisierung vorerst weiter zufällig. Das Erreichen von besonderen Kompetenzen wie von der KMK empfohlen kann ich ja auch analog erreichen (sagte ein Schulleiter auf einer dieser Tagungen). Schaut man hinter die Kulissen einiger „Leuchttürme“ (auf Lehrer- wie auf Schulseite), merkt man oft: da steht gar keine Praxiserfahrung dahinter, ein Unterrichtseinsatz findet gar nicht statt, man lotet nur die theoretische Umsetzung aus – immer noch.
Wollen wir eine veränderte Bildung, dann brauchen wir Praxiserfahrung, reflektiertes Feedback von wissenschaftlicher Seite, eine technische Grundausstattung und das am besten gleichzeitig. Ich gehe jetzt erst einmal in die Ferien, alles gleichzeitig geht halt nicht. Aber die Tagungen haben gezeigt: Es hat angefangen und wird weitergetragen.

Chronologie der Tagungen: Fr, 20.10.: Schulentwicklungstag in Diedorf: Alles 4.0? Keynote Dr. Astrid Carolus + Staatssekretär Georg Eisenreich
Sa, 21.10.: #realdigi17: Lehrerfortbildung in Neunburg vorm Wald (genial organisiert von Ferdinand Stipberger und seinem Team -> mein Highlight) Keynote: Markus Bölling und Tobias Schnitter
Mo, 23.10.: E-Session zum Flipped Classroom als Auftakt zu einer einmonatigen Schulung im Moderierten Online-Seminar
Di, 24.10.: Grundschullehrertag Babenhausen -> (oft habe ich das Gefühl, dass die GS-Lehrer mit den Zielen der Digitalisierung, wie Individualisierung etc. am meisten anfangen könne, technisch aber die am wenigsten passenden SchülerInnen dazu haben) keine Keynote, sondern 20-minütige Blitzlichter
Do, 26.10.: Lernräume digital gestalten in Wolmirstedt als Fortbildung in einer Schule, die neben WLAN auch das Raumkonzept zu Ende gedacht hat. Keynote: Prof. Dr Reppeninge

 

 

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