Gutes Timing – fast zeitgleich mit der sehr spannenden Tagung #Future19 an der Uni zu Köln erschien im Waxmann Verlag der bereits 12. Band der Reihe “LehrerInnenbildung gestalten” des ZfL der o. g. Bildungseinrichtung. Grund genug sich mit dieser Veröffentlichung im Rahmen einer Rezension zu beschäftigen, da das Thema des Sammelbandes natürlich gerade auch meinen schulischen Einsatzbereich tangiert.

Die Basis des Werks fußt zwar auf der bereits im Jahr 2017 durchgeführten Tagung “Diggi17 – Enter Next Level Learning”, der Aktualität der Artikel schadet dies jedoch wenig. Eher ist es so, dass sich beim Leser, der sich schon länger mit der Thematik der “Digitalen Bildung in der LehrerInnenbildung” beschäftigt, ein Gefühl der Ohnmacht auftut. Man könnte an vielen Stellen schon durchaus weiter sein, dieser Eindruck stellte sich zumindest bei meiner Lektüre immer wieder ein. Zudem soll hier nicht unerwähnt bleiben, dass unter folgendem Link verschiedene Keynotes und Eindrücke der Tagung immer noch abgerufen werden können. Eine absolute Empfehlung stellt der Beitrag von Christian Bauckhage dar, der sich mit dem Thema “KI” beschäftigt. Unbedingt reinschauen und nachlesen!

Die drei Schlagworte der Tagung (#brain, #work&play und #education) werden in insgesamt vier Kapiteln und 15 Einzelbeiträgen recht detailliert besprochen, wobei oftmals auch verschiedenste Projektberichte integriert sind (digiLL, OERlabs oder auch MINTegration). Einzelne Beiträge sind in englischer Sprache verfasst, wobei besonders der Beitrag “Conditioning in the Classroom: Applications of Animal Learning to Education” von Mark Haselgrove / Emma J. Whitt für mich lesenswert war. Mithilfe von acht Tipps werden hier sehr anschauliche, globaldidaktische Perspektiven genannt, die einerseits einfach klingen, andererseits oftmals doch recht schnell in Vergessenheit geraten. Bei allem Hype um die 4Ks sollten Lehrende nicht vergessen, dass z. B. Übungsphasen, wenn sie dem später folgendem Test ähnlich sind, nicht per se abzulehnen sind. Für mich durchaus auch ein Plädoyer für Flipped Classroom und dann auch kein Widerspruch zu späteren Anwendungsphasen, denn ohne Sachkompetenz sind wohl auch keine anderen Kompetenzstufen möglich. In jedem Fall scheint das Thema immer noch (oder wieder?) mehr als Skinner-Box und Pavlov herzugeben.

Weitere Lesetipps sind die Beiträge von Bojan Godina (“Die Macht der Bilder im pädagogischen Prozess. Transdisziplinäre Streiflichter bildlichen Lernens in der Frühgeschichte, Antike und aus der Sicht der Neurowissenschaften”) und Kai Hugger (“Warum Digital Natives ein Mythos sind und was dies für schulische Medienbildung bedeutet”). In ersterem wird die These vertreten, dass die Fokussierung auf die Bildersprache schon in früheren Epochen zum didaktischen Programm gehört hatte (antike Reliefs als erste 3D-Darstellungen!) und wir uns sicher nicht zum ersten Mal im “Zeitalter der Bilder” befinden. Es scheint daher lohnenswert zu sein, sich mit den damaligen Vermittlungstechniken zu beschäftigen, die sich auch vor aktuellen Forschungsergebnissen nicht verstecken müssen. Der zweite Artikel beinhaltet zum beliebten “false friend” “Digital Natives” einige praktische Klarstellungen und Argumentationshilfen u. a. für den nächsten Elternabend.

Mit einer Zusammenfassung und sechs Thesen von Myrle Dziak-Mahler, die in einem kurzen Pamphlet bemängelt, dass die digitale Transformation in der Schule noch nicht angekommen sei, endet der Band recht fulminant. Dieser Beitrag sollte im Prinzip jedem Schulleiter als eine Art Handlungsempfehlung vorliegen – knapp, emotional und praxisorientiert.

Etwas zu kurz kommt in meinen Augen der Bereich, der sich mit der neuen Arbeitswelt 4.0 beschäftigt, da ein Artikel fehlt, wie man diese Erkenntnisse in konkretes unterrichtliches Handeln übertragt – fern ab vom Programmieren mit dem “Roberta-Konzept”. Hier hätte ein Impuls, wie z. B. Reformpädagogik und Digitale Bildung miteinander gekoppelt werden können, sehr gut getan, um das Bild abzurunden.

Letztlich kann ein derartiges verschriftlichtes Vorhaben immer nur den bei Veröffentlichung schon überholten Blick auf die Zukunft widerspiegeln. Dass dennoch diese wissenschaftlich fundierten Ergebnisse nur sehr spärlich in die schulische Praxis einfließen, macht mir, wie schon erwähnt, gerade in Hinblick auf die LehrerInnenausbildung, schon etwas Sorgen. Insofern wäre es wünschenswert, wenn der Band dazu beiträgt, hier etwas Aufklärungsarbeit zu leisten.

 

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