Eichstätt – die beschauliche Barockstadt, die so weit vom Schuss liegt, dass sie einst sogar Napoleon in seinem Eroberungsfeldzug aufgrund eines Nebelschleiers übersah, steht wie kein zweiter bayerischer Standort für digitale Bildungsinnovationen. Unter dem etwas sperrigen Titel „Mixed Reality und die Zukunft des Lernens – Zukunftstechnologien für Bildungskontexte“ fand unter der Federführung des Instituts für digitales Lernen eine hochkarätige Tagung statt, die sich spürbar erfrischend von allen anderen Veranstaltungen aus diesem Bereich abhob. Zum einen lag das an den ca. 100 Teilnehmern, die aus allen möglichen digitalen (Bildungs-)Bereichen stammten, zum anderen aber auch an der locker-flockigen Atmosphäre, die durch den herrlich schrullig-nerdigen Moderator Dominic Possoch erzeugt wurde.

Insgesamt acht kurze Keynotes und ein Panel, an dem Josef Buchner, Nina Toller und ich teilnahmen, boten ein ziemlich straffes, aber auch abwechslungsreiches Programm, das viele neue Gedanken und Anknüpfungspunkte bot, über die Digitalisierungstrends VR, AR, MR und deren Einfluss auf Bildungsszenarien nachzudenken. Klar wurde bei allen Vorträgen: Wir sind mittendrin in einer spannenden Zeit, die das Lernen und Lehren nachhaltig verändern wird, wenn auch noch nicht klar ist (und auch gar nicht sein kann), welche Trends sich letztendlich durchsetzen werden (und wie diese dann in der Schule ankommen werden, ist sicher noch eine ganz andere Frage). 

Was stach nun heraus und lohnt sich auch in diesem Beitrag zu erwähnen? Da wäre zunächst einmal die hervorragende Keynote von Dr. Marcus Ventzke zu nennen, der sich dem Thema Virtual Reality bildungsphilosophisch näherte. Dass der Mensch das einzige Lebewesen ist, das echte „Virtualität“ erleben, erzeugen und erdenken kann, mag zunächst banal klingen, könnte gerade auch gegenüber Kritikern des Themas ein stichhaltiges Gegenargument liefern. Was für Kinder noch in Ordnung ist (Leben in Phantasiewelten), wird mit zunehmendem Alter als „Spinnereien“ abgetan. „Warum eigentlich?“, stellte Dr. Ventzke in den Raum.

Wie das Thema in der Schule angegangen werden kann, zeigte anhand eines konkret durchgeführten Biologie-Projekts Dr. Susanne Rupp vom Cornelsen Verlag. Sicher ein guter Ansatz, wenn man den Schülermeinungen zur virtuellen Unterrichtssequenz „Verdauungssysteme“ Glauben schenken darf. Etwas mehr Zutrauen in das freie Arbeiten der Schüler wäre hier aber durchaus noch zu integrieren. Trotzdem stellt das Konzept einen der ersten deutschsprachigen Ansätze dar, die VR ins Klassenzimmer bringen können und das auch für einen akzeptablen finanziellen Aufwand, wenn die nötigen Devices bei den Schülern vorhanden sind.

Nach der Mittagspause wurde es dann fast schon kontrovers, als es in zwei aufeinander folgenden Vorträgen um 360-Grad-Videos und VR-Content ging. Hier zeigten sich diverse Anwendungsmöglichkeiten auch im schulischen Bereich, gerade wenn man an das Thema „Exkursionen“ denkt. Außerdem wurde klar, noch sind die erst genannten Angebot der VR-Technik auch ökonomisch noch überlegen, das ausgerufene Jahr der Virtuellen Realität“ 2017 hat so nicht stattgefunden. Auch das „bessere Storytelling“ könnte momentan noch für 360-Grad-Angebote sprechen, auch wenn das Lernen mit VR einiges an Potential bietet. Das prinzipielle Problem der Zukunftsvorhersagen in der digitalen Welt erläuterte dann Johannes Klingebiel in der für meine Begriffe besten Keynote der Tagung. Ein kleine Handreichung, wie wir die Trends der Digitalisierung vielleicht doch ein wenig genauer verstehen und vorhersagen können, rundete diesen Teil der Tagung passend ab.

Im letzten Teil wurde es dann didaktischer. Josef Buchner zelebrierte mit der ihm eigenen alpenländischen Souveränität seine Ideen zum Einsatz von Augmented Realitiy im Klassenzimmer vor dem staunenden Publikum. Plötzlich erscheinende Dinosaurier gepaart mit konkreten Unterrichtseinsätzen aus dem Fach Geschichte zum Thema „Hexenverfolgung“ bewiesen überzeugend, dass auch wenig technikaffine Lehrer selbst mit AR produktiv werden und ihre Stunden damit „upgraden“ können. Nicht zuletzt deshalb, da Buchner dokumentierte, dass sich die subjektiven Effekte auch wissenschaftlich-objektiv nachweisen lassen.

Es bleibt zu hoffen, dass sich auch zu #GDM18 wieder ein derartig hochkarätiges Programm zusammenstellen lässt (Benjamin Heinz, wir zählen auf dich und kommen wieder). An der Präsenz von #BayernEdu wird es sicher auch im nächsten Jahr nicht mangeln, da aufgrund der guten Zugverbindungen und moderner Navigationsgeräte der napoleonische Fauxpas sich sicher nicht wiederholen wird.

 

 

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