Das Deutsche Lehrerforum ist schon wieder Geschichte – unser Bericht darüber ist auf #BayernEdu ja bereits erschienen. Neben dem tollen Programm konnte ich auch die Gelegenheit nutzen, um unsere beliebte Interviewreihe fortzusetzen. Mit besonderer Freude konnte ich Jürgen Drewes für ein kurzes Gespräch gewinnen. Auf seinem Blog schildert er, wie ich finde sehr anschaulich und praxisnah, seine Erfahrungen beim Arbeiten mit einer Tabletklasse.
#BayernEdu: Wer ist Jürgen Drewes? Was macht er und vor allem wofür steht er pädagogisch?
JD: Ich bin seit 1990 Lehrer und unterrichte die Fächer Deutsch, Katholische Religion und Sport an der Bischöflichen Clara-Fey-Schule, einer Realschule und einem Gymnasium. Ich bin Vater von zwei Kindern, 10 und 16 Jahre alt. 2013/14 habe ich mich zum Medienpädagogen weitergebildet, weil der Anachronismus zwischen dem althergebrachten Schulsystem und der „draußen“ vorherrschenden Realität auf mich so deutlich wirkte, dass ich mögliche Schnittmengen erkunden wollte. Eins kam zum anderen, vor allem eine technikaffine Schulleitung, und so starteten wir 2016 das Pilotprojekt Tabletklasse, das ich seitdem leite. Alle Schüler*innen arbeiten täglich in (fast) allen Fächern mit 2-in-1-Geräten.
#BayernEdu: Deinem Blog kann man entnehmen, dass du vor allem in Tabletklassen unterrichtest und dort sehr viel pädagogisches Herzblut investierst. Warum habt ihr euch an der Schule dafür entschieden? Schildere unseren Lesern doch bitte kurz deine Erfahrungen!
JD: Die Digitalisierung bestimmt mehr und mehr unser Leben, Schüler*innen nutzen Tutorials, um sich Informationen zu beschaffen. Lehren und Lernen haben sich stark verändert: Während ich „früher“ die Klasse betrat, um mit allen am selben Text dieselben Fragestellungen in derselben Zeit zu besprechen, stelle ich mich heute auf die jeweiligen Arbeitsbereiche der Schüler*innen jeweils neu ein. Eigenständiges, selbst bestimmtes Lernen hat nun einen viel höheren Stellenwert. Unsere Arbeit auf einem Wiki ermöglicht vielfältige Kollaborationen. Peer-Feedback aktiviert zahlreiche Kompetenzen, die Schüler*innen sind hoch motiviert.
#BayernEdu: Habt ihr an eurer Schule eigentlich ein Medienkonzept? Welche Punkte sind dir davon persönlich besonders wichtig?
JD: Unser Medienkonzept wird durch die neuen Erfahrungen in den Tabletklassen – seit Beginn des Schuljahrs haben wir eine zweite gegründet – stets aktualisiert. Besonders wichtig ist für mich die Förderung des kritischen Bewusstseins der Schüler*innen, damit sie nicht bloß willige Consumer, sondern kritische Gestalter des Netzes sein können. Aus diesem Grunde haben wir u. a. Medienscouts ausgebildet, die Schüler*innen (und Eltern) über Themen rund um die Sicherheit im Netz informieren.
#BayernEdu: Du unterrichtest ja auch Religion. Ketzerisch gefragt: Braucht man da wirklich Tablets?
JD: Die face-to-face-Begegnung im Religionsunterricht ist durch nichts zu ersetzen, sie ist die Grundlage vertrauensvollen Lernens. Digitale Medien können darüber hinaus einen zeitgemäßen RU bereichern, z. B. durch den Einsatz digitaler Programme, wie der Erstellung von Wortwolken, der Aufnahme von Standbildern, Videos, Audios. Auch die Kollaboration, wie sie nur mit digitalen Medien möglich ist, fördert die Ziele eines zeitgemäßen RU.
#BayernEdu: Siehst du Risiken beim digitalen Arbeiten, für die du bisher noch keinen Lösungsansatz gefunden hast?
JD: Der (weltweite) Bildungsmarkt bietet ein Riesengeschäft. Der Apple-Konzern hat das als erster verstanden, Google folgte, Microsoft etwas später ebenfalls. Diese ökonomischen Interessen drohen die wichtigeren pädagogischen zu verdrängen. Die Freiheit und Verantwortung der Lehrenden, z. B. ohne Vorauswahl und Bedingungen Lernmaterial auswählen zu können, muss gewahrt bleiben.
#BayernEdu: Auch in Sachen Lehrerfortbildung bist du ja aktiv. Welche Aufgaben und Themen interessieren dich in diesem Bereich besonders?
JD: Ich arbeite seit 25 Jahren als Regionalbeauftragter für das Katechetische Institut in Aachen und bin dort regional verantwortlich für Lehrerfortbildungen. Ich biete selbst Fortbildungen zum Thema „Digitale Medien im Religionsunterricht“ an und möchte diesen Bereich zukünftig angemessen fördern.
#BayernEdu: Wir befinden uns ja gerade auf dem Deutschen Lehrerforum. Dein bisheriges Fazit zur Veranstaltung? Braucht die “digitale Bildung” bundesweite Treffen wie diese?
JD: Diese Treffen sind besonders wichtig zur persönlichen Vernetzung: In vielen Schulen sind wenige Pioniere dabei, Erfahrungen mit dem Einsatz digitaler Medien zu sammeln. Um diese Vereinzelung zu durchbrechen, kann man auf solchen Treffen viele kompetente und inspirierende Menschen kennenlernen.
#BayernEdu: Kannst du unseren Lesern Tools oder Apps nennen, mit denen du besonders gerne und effektiv arbeitest?
JD: Da wir uns bewusst für die Windows-Welt entschieden haben, arbeiten wir (in meinen Fächern) mit allem, was Microsoft zu bieten hat, auch den kostenlosen abgespeckten Online-Versionen. Die meisten meiner Schüler*innen arbeiten jedoch mit OpenOffice-Programmen. Apps, die gerne genutzt werden, sind z. B. Padlet und PicCollage.
#BayernEdu: Jedes Interview bei uns endet mit 5 Halbsätzen, die du bitte vervollständigst!
- Eine gute Unterrichtsstunde ist für mich dann erreicht, wenn die Schüler*innen (einzeln oder miteinander) kreativ arbeiten und kritisches Bewusstsein im Umgang mit Medien entwickeln.
- Ich blogge gerne, weil der Austausch mit Interessierten bereichernd ist.
- Digitale Prüfungsformate sind bisher absolute Mangelware und müssen schleunigst her, um die Arbeit mit digitalen Medien sinnvoll und sachgerecht zu ergänzen.
- Gerade das Fach Deutsch kann viel im Rahmen der Digitalen Bildung leisten, da das Verstehen und Formulieren von Texten eine fundamentale Grundlage persönlicher Bildung und des Netzes sind.
- #BayernEdu wünsche ich, dass ihr euch weiterhin so rege, kompetent und inspirierend austauscht und damit weitere Interessierte ansteckt!
#BayernEdu: Danke für das Gespräch! Wir wünschen dir für deine Arbeit weiterhin viel Freude und freuen uns auf weiteren Austausch mit dir.
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