Gemeinsam mit unserem ersten Interviewgast Dejan Mihajlović möchte #BayernEdu eine neue Sparte auf unserem Blog beginnen. In unregelmäßigen Abständen lassen wir Protagonisten der #DigitalenBildung zu Wort kommen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Es würde uns sehr freuen, wenn ihr fleißig kommentiert und Nachfragen stellt.
#BayernEdu: Wer ist eigentlich Dejan Mihajlović? Bitte stelle dich unseren Lesern einmal kurz vor!
DM: Ich bin Vater von vier Kindern, unterrichte an der Pestalozzi Realschule in Freiburg Chemie, Geschichte, Mathematik und Ethik (Philosophie) und arbeite für das Staatliche Schulamt Freiburg als SMV BAG-Leiter und Fortbildner und für das Regierungspräsidium als SMV-Beauftragter. Außerdem bin ich im Vorstand des Bürgervereins Oberwiehre-Waldsee, zweiter Vorsitzender des Migrantinnen- und Migrantenbeirats der Stadt Freiburg und aktiv bei D64, dem Zentrum für digitalen Fortschritt.
#BayernEdu: Warum und aus welchen Motiven wurdest du eigentlich Lehrer?
DM: Eigentlich gab es zwei Gründe. Den Anstoß gab mein damaliger Chemielehrer auf der Leistungskurs-Hütte. Er war auch mein Mentor. So nannte man damals die für einen in der Oberstufe zuständige Person, die das Pendant zum Klassenlehrer darstellte. Seiner Meinung nach hätte ich den Vorteil, die Perspektive verhaltenskreativer Schüler_innen bereits zu kennen. Die Entscheidung, Lehrer zu werden, traf ich aber wegen meiner Freunde an der benachbarten Realschule. Da waren einige dabei, die meiner Meinung nach gegen enorme Widerstände zu kämpfen hatten und kleingeredet wurden, weil sie sich entweder offen kritisch äußerten oder deren Potenzial aufgrund von „kleineren Verhaltensnormabweichungen“ nicht erkannt wurde. Ich hatte mir vorgenommen, das zu ändern und Realschullehrer zu werden, um auch für diese Jugendlichen eine Lobby im Lehrerzimmer zu schaffen bzw. mehr zu unterstützen. Das ist und war natürlich eine stark subjektive Einschätzung, aber mein ehrlicher Beweggrund.
#BayernEdu: Sehr spannend, ich denke, da finden sich einige unserer Leser darin wider. Du sprichst ja – vielleicht gerade wegen den Gründen, die du oben genannt hast – gerne von dem Begriff #zeitgemäßeBildung. Kannst du knapp schildern, was du darunter verstehst und inwieweit die Digitalisierung aus deiner Sicht dieses Postulat unterstützen?
DM: Unsere Gesellschaft entwickelt sich ständig weiter. Der digitale Wandel erhöht dabei das Tempo und löst zunehmend bestehende und bekannte Strukturen in allen Lebensbereichen auf. Mir erscheint es deshalb schlüssig, dass dabei auch unsere Vorstellung vom Lernen geprüft, neu überdacht und wenn nötig angepasst werden muss. Zeitgemäße Bildung verstehe ich somit nicht als eine Liste oder Tabelle von Inhalten, Tools oder Kompetenzen, sondern als eine Haltung und Vorgehensweise, Bestehendes in einem nie endenden Prozess aller Beteiligten an den gesellschaftlichen Entwicklungen orientierend stets kritisch zu hinterfragen und gemeinsam weiter auszuarbeiten. Es gibt also kein Endergebnis, das man abheften kann, sondern nur einen aktuellen Stand, der auf die jeweilige Beteiligten zugeschnitten ist. Idealerweise müsste das auf jeder Ebene unseres Bildungssystems möglich sein und gelingen. Kurz: Wir wissen nicht, was morgen junge Menschen erwartet und nicht wenige sind schon mit dem Heute überfordert. Sie möglichst gut darauf vorzubereiten, als Individuum und Teil der Gesellschaft mit komplexen Herausforderungen zurechtzukommen, sehe ich als Aufgabe zeitgemäßer Bildung.
#BayernEdu: Absolut interessant und aus meiner Sicht auch korrekt! In diesem Zusammenhang möchte ich das allseits bekannte 4K-Modell einmal ins Spiel bringen. Welche K’s sind aus deiner Sicht – neben den bekannten – für unsere Schüler in Zukunft wichtig?
DM: Wenn es ein „K“ sein muss, entscheide ich mich für Kant bzw. den kategorischen Imperativ, der mir in einer zunehmend vernetzteren Welt herausfordernder, aber auch notwendiger erscheint. Die EU besteht aus 28 Mitgliedsstaaten, in denen über 500 Millionen Menschen leben. Sich daran zu orientieren, nur nach derjenigen Maxime zu handeln, durch die man zugleich wollen kann, dass sie ein allgemeines Gesetz werde, klingt nicht nur in diesem Fall für mich sinnvoll, zielführend und erstrebenswert.
#BayernEdu: Du bist ja auch in der Lehrerfortbildung tätig. Wie ist dein Eindruck? Welchen Teil der Lehrer erreicht man und wie groß ist die Bereitschaft seinen Unterricht auf neue Herausforderungen anzupassen?
DM: Welche Lehrende man erreicht bzw. deren Bereitschaft kann man nicht losgelöst vom Angebot bewerten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass inhaltlich und methodisch ansprechende Fortbildungen in Kollegien sehr wohl angenommen werden, Impulse auslösen oder sogar Prozesse in Gang setzen können, im Bereich der Schulentwicklung neue Wege zu beschreiten. Adäquate Antworten auf die aktuellen Herausforderungen durch das Digitale zu entwickeln, erfordert zuerst die Erkenntnis der Notwendigkeit und dann die dafür nötigen Ressourcen, langfristig, kontinuierlich und gemeinsam daran arbeiten zu können. Hier sehe ich momentan eine Chance in schulinternen und systemischen Fortbildungen, die sich an den Gegebenheiten und Wünschen vor Ort orientieren. Im Oktober biete ich für das Staatliche Schulamt Freiburg ein Barcamp für Schulleitungen an, um ihnen diese Idee näherzubringen. Das ist natürlich nur ein Ansatz. Die oben erwähnten nötigen Ressourcen sehe ich noch nicht gegeben.
#BayernEdu: Welche drei Projekte von dir liegen dir besonders am Herzen und könnten ggf. für unsere Leser interessant sein?
DM: Aula liegt mir sehr am Herzen, weil es in der Schule die Thematik anpackt, die man gerne und häufig fordert bzw. anpreist, aber selten umsetzt: Demokratie leben; wobei aula dabei noch das Potenzial des digitalen Wandels aufgreift. Alle Infos zum Projekt und Verlauf kann man auf diesem Blog, bei Facebook oder Twitter verfolgen. Ich bin auch gerade dabei das Resümee nach einem Jahr mit aula zu schreiben. Ein weiteres Herzensprojekt sind die Perlen von den Säuen. Im etwa monatlichen Rhythmus reden Andreas Hofmann, Anselm Maria Sellen und ich eine knappe Stunde über Themen aus dem Bildungsbereich und veröffentlichen das bei YouTube, iTunes und unserer neuen Heimatplattform dem edufunk. Das Digitale steht dabei gerne im Fokus. Da wir schon fast 100 Abonnenten bei YouTube haben und drei Likes beim letzten Video, warten wir noch auf den Anruf der Bundeskanzlerin, um auch ein Interview mit ihr zu machen. Unsere Anfrage via Twitter blieb bis heute aber leider noch unbeantwortet. Abschließen möchte ich mit dem Offenen Bildungsnetzwerk Freiburg. Die Projektidee entstand beim letzten EduCamp in Bad Wildbad. Im zweimonatigen Takt wollen Benedikt Sauerborn, Philip Stade, Olav Richter und ich in Freiburg allen Interessierten eine Möglichkeit fürs Netzwerken bieten. Viele Menschen sind im Bildungsbereich tätig und sind an berufliche oder strukturelle Vorgaben gebunden, was eine Zusammenarbeit erschweren kann. Deshalb wollen wir eine offene Plattform vor Ort schaffen, im Sinne des Webs, die einen noch besseren Austausch begünstigt und eventuelle Hindernisse hemmt oder bestenfalls verhindert. Wir werden über die Entwicklung bloggen und freuen uns über jede weitere Unterstützung.
#BayernEdu: Zur Sache mit der Bundeskanzlerin möchte ich anmerken, dass ein Interview mit euch für beiden Seiten ertragreich wäre. Ich wünsche euch dabei auf alle Fälle viel Erfolg bei diesem Projekt. Trotzdem nochmals nachgefragt: Gibt es bei aller Einschränkung trotzdem Lernszenarien oder Tooltipps, die du in deinem “digitalen” Unterricht regelmäßig nutzt?
DM: Ich denke, dass schon ausreichend Beiträge mit Tool-Empfehlungen durchs Netz schwirren. Was die Lernszenarien betrifft, trage ich gerne aktuelle Netzdebatten in die Klassen. Wenn ich z. B. mich mit Freunden und Bekannten im Web über Fake News diskutiere oder mit rechten Trollen zu kämpfen habe, suche ich nach Möglichkeiten, das auch im Unterricht zu thematisieren. Den Zugang zu Inhalten aus sozialen Netzwerken verschaffe ich mir über meine Accounts. Ich halte hier Authentizität für wichtig und lehne diesem Kontext schulisch konstruierte Inhalte und Umfelder eher ab. Dadurch nehme ich Schüler_innen und sie die Thematik ernst.
#BayernEdu: Zu guter Letzt noch 5 Halbsätze, die du gerne ergänzen darfst…
a) Mein Schultag war erfolgreich, wenn meine Schüler_innen und ich ihn nicht nur als einen Tag in der Schule erlebt haben.
b) Von der Politik wünsche ich mir, dass Schulen die Priorisierung erhalten, die stets beteuert wird. Das geht nur mit enormen Investitionen, Strukturen und Austausch, die offen, transparent, flexibel und nicht hierarchisch angelegt sind und dem primären Ziel, einer erfolgreichen Gesellschaft und nicht Parteipolitik.
c) Twitter ist für mich mein Online-Erstwohnsitz im digitalen Wandel.
d) Wenn ich an meinen Unterricht in 10 Jahren denke, dann hoffe ich auf Rahmenbedingung für (noch) offene(re)s und partizipative(re)s Lernen, Lehren und Prüfen.
e) BayernEdu wünsche ich, dass sich nicht nur viele Menschen diesem Netzwerk anschließen, sondern auch aktiv daran beteiligen.
#BayernEdu: Danke für das Interview! Wir wünsche dir für deine Arbeit weiterhin viel Freude und freuen uns auf weiteren Austausch mit dir!
0 Kommentare