„Voraussagen zu treffen ist sehr schwierig, speziell über die Zukunft.“
— Niels Bohr, Physiknobelpreisträger
Samstag, 01.05.2021 – Die Corona-Pandemie stellt alle Beteiligten am Schulleben weiterhin auf eine harte Bewährungsprobe. Stand jetzt kann ich persönlich nicht mal sicher sein, ob bei mir in der nächsten Woche Wechsel- oder Distanzunterricht stattfinden wird. Die Inzidenz- und Konsequenzregeln sind mir mittlerweile nicht mehr in jedem Fall klar. Flexibilität ist wohl das Schlagwort der Stunde, gerade auch für Familien und Schüler*innen, denen nun seit Dezember wieder einiges abverlangt wird. Dennoch: Einige Parameter deuten jetzt auf eine schrittweise Entspannung der Lage hin. Die Impfquoten steigen, auch Schulkinder könnten in den Sommerferien vielleicht schon den Pieks bekommen. Die „neue“ Normalität scheint step by step wieder zur „alten“ werden zu können. Also wird das kommende Schuljahr nach zwei „covidgeprägten“ wieder ein „normales“ werden?
Ich sehe das bei Weitem nicht so und halte es auch nicht für wünschenswert. Warum ich dieser Meinung bin, möchte ich anhand von einigen Aspekten beleuchten, die meiner Meinung nach in der derzeitigen Diskussion im #Twlz entweder zu kurz kommen oder aus meiner Sicht falsch gewichtet werden. Eine Debatte darüber fände ich äußerst anregend und spannend, denn letztlich gilt ja in diesem Fall auch das o. g. Bohr-Zitat. Folgende 10 Thesen halte ich aber für veröffentlichbar, um die zukünftigen Herausforderungen an die Organisation Schule definieren zu können.
- Eine komplette Umwälzung wird die Elternkommunikation erfahren. Die traditionelle Sprechstunde und Elternabende könnten abgeschafft oder verkürzt werden. Digitale Formate werden die Erreichbarkeit der Lehrkräfte erhöhen und auch die Arbeitszeit umschichten.
- Aspekte, wie z. B. die Lehrergesundheit müssen neu gedacht werden und auf o. g. Veränderung des Berufsbildes abgestimmt werden. Hierzu wird es professionelle Fortbildungsangebote geben müssen, die auf die Veränderung der digitalen Arbeitswelt abzielen, wovon Lehrkräfte bisher ja eher weniger tangiert wurden.
- Die Zusammenarbeit in den Lehrerkollegien wird intensiviert werden müssen. Schulleitungen werden Ideen, wie z. B. Kokonstruktion, stärker in ihren Medienkonzepten berücksichtigen und auch einfordern.
- Durch die Dienstgeräte, wenn sie denn letztlich da sind, werden alte Arbeitsabläufe hinterfragt werden. Es wäre wünschenswert, wenn dann im Laufe des nächsten Schuljahrs dann aber mit den neuen Devices viele der alltäglichen Verwaltungsaufgaben ortsungebunden erledigt werden können, was wiederum auch Fortbildungsbedarf bei den Lehrkräften darstellen wird.
- Bei Schüler*innen sollte die erfahrene Selbstwirksamkeit, die durch die eingeforderten Selbsttätigkeit beim „Lernen zuhause“ entstanden sein könnte, nicht im Präsenzunterricht wieder verkümmert werden. Es braucht aber auch Konzepte, wie man Selbsttätigkeit bei Schüler*innen anbahnt, die o. g. positiven Erfahrungen aber nicht gemacht haben. In diesem Zusammenhang braucht es auch ein Ritual – eine Feedbackkultur mit Konzept
- Völlig überbewertet werden Debatten über Videokonferezsysteme oder Plattformen. Natürlich werden manche Kolleg*innen – vermutlich letztmalig – liebgewonnene Traditionen aufgeben müssen, da sich an manchen Stelle eben die datenschutzrechtliche Grundlage geändert hat. Aber richtig ist doch auch, dass einmal erlernte Kompetenzen ja auch übertragbar sein sollten – ein Fakt, den man Schülern ja auch tagtäglich abverlangt.
- Die Initiativen für eine neue Prüfungskultur werden zunehmen. Der traditionelle Leistungsnachweis wird aber immer noch das Maß vieler Dinge sein, wenn man nicht die Gesellschaft, die Eltern und die Schüler*innen davon überzeugt, dass die dort abverlangten Kompetenzen nicht immer anschluss- und zukunftsfähig sind.
- Die Förderangebote, die geplant sind, werden vielfach auch digital ablaufen (müssen), um mehr Schüler*innen erreichen zu können.
- Es könnte dazu kommen, dass von staatlicher Seite weitergehende Initiativen gestartet werden, um digitale OER-Lerninhalte zu erstellen. Die Verlagerung weg von der Schulbuch-Gleichförmigkeit hin zu einer regelmäßigen Aktualisierung der Lerngegenstände würde auch der neuen Prüfungskultur gut tun.
- Der Beruf „Lehrkraft“ wird eine neue Aufwertung erfahren, wenn das neue Schuljahr eben kein normales werden wird. Die externen Push-Faktoren werden dafür sorgen, dass Schule sich aus sich selbst heraus erneuern kann. Dazu braucht es Vertrauen und kreativen Geist in den Schulleitungen vor Ort.
Die große Unbekannte ist dabei aber natürlich die Viruslage, deren Einflüsse ich nicht prognostizieren kann oder will. Dies sei am Schluss noch angemerkt. Es würde mich freuen, wenn wir über das neue Schuljahr – schon jetzt – ins Gespräch kommen würden. Denn Bildung geht uns alle an!