„Prüfungen erwarte bis zuletzt.“ (Johann Wolfgang von Goethe)
Schon seit jeher ist das Thema ein Dauerbrenner – Wie halten wir Lehrkräfte es mit dem Thema Leistungsnachweise und deren Benotung? Und daran anschließend: Sind Ziffernnoten denn noch zeitgemäß? Bilden die Prüfungsformate noch die heutzutage geforderten 21st-century-Kompetenzen ab? Welche Rolle spielt die Corona-Pandemie in dieser aktuellen Diskussion?
Dies alles sind spannende, von mir nur ansatzweise beantwortbare Fragen. Im Rahmen des Schulversuchs „Prüfungskultur innovativ“ unter der Federführung des Bildungspakts Bayern gehen „wir“ (das sind 15 Modellschulen) diesen nun aber fundiert auf den Grund. In diesem Beitrag stelle ich drei von mir durchgeführte Ideen für sog. „kleine Leistungsnachweise“ vor, die aus meiner Sicht wenig Aufwand erfordern und auch recht schnell adaptierbar sind. Daher nenne ich sie kurz und knapp „LALN“.
LALN 1: Erstellung eines eigenen Leistungsnachweis „Erörterung“ (Deutsch Klasse 9)
Am Ende jeder Unterrichtseinheit steht oftmals die Frage der „Wiederholung des Stoffes“. In meiner 9. Klasse stand im November die 1. Schulaufgabe „Erörterung“ an. Statt eines traditionelles Tests wollte ich dieses Mal die Sache etwas anders angehen.
Ziel: SuS erstellen selbst eine „Stegreifaufgabe“ und wiederholen dabei die Lerninhalte der Unterrichtssequenz. Dabei müssen passende Kriterien gefunden werden und eine Musterlösung sowie eine einwandfreie Formatierung gewährleistet sein. Die Abgabe erfolgt über mebis (Aktivität „Aufgabe“).
Vorgehen: Als Einstieg erhalten die SuS eine Fake-Stegreifaufgabe, die sie adhoc bearbeiten sollen. Der „didaktische Schocker“ wird natürlich recht schnell aufgelöst, um Missverständnisse zu vermeiden. Nach einer gewissen Bearbeitungszeit wird die „Aufmachung“ des Leistungsnachweises analysiert und eigene Kriterien und mögliche Aufgabentypen gesammelt. Daran anschließend erhalten die SuS „hybride Arbeitszeit“ mit einem festen Abgabetermin.
Feedback/Fazit: Die SuS empfanden die Aufgabe als umfangreich, aber gut geeignet, um sich auf die Schulaufgabe vorzubereiten. Zudem wurde ein Lernprodukt erstellt und sich mit traditionellen Prüfungsformaten kritisch beschäftigt. Daher war aus meiner Sicht eine Benotung auch gerechtfertigt, eben weil sie nicht nur eine Wissensabfrage darstellte, sondern auch verschiedenste Arbeitsschritte von den SuS abverlagte.
LALN 2: Erstellung einer Sketchnote zum Themenkomplex „Stadt im Mittelalter“ (Geschichte Klasse 7)
Sketchnotes sind mittlerweile ein Klassiker, der aus meiner Sicht gut für alternative Leistungsnachweise geeignet ist. Um das sehr umfangreiche Kapitel „Stadt im Mittelalter“ einmal etwas „zusammenhängender“ anzugehen, erhielten die SuS die Aufgabe, sich selbstständig mit der Materie zu beschäftigen und ein „Sketchnote-Referat“ zu erstellen.
Ziel: SuS erstellen selbst eine „Sketchnote“ und erarbeiten dabei die Lerninhalte der Unterrichtssequenz. Dabei müssen passende Ressourcen gefunden werden und eine übersichtliche Lösung sowie ein gewisser inhaltlicher Umfang gewährleistet sein. Der Vortrag wird via Bildschirmaufnahme „vertont“, d.h. die SuS stellen ihre Ergebnisse mündlich vor. Die Abgabe des daraus entstandenen „Sketchnote-Clips“ erfolgt über mebis (Aktivität „Aufgabe“).
Vorgehen: Als Einstieg erhalten die SuS eine Einführung in die Sketchnote sowie Hinweise, welche Symbole sie z. B. verwenden könnten. Als Orientierung kann z. B. der gut geeignete Lernpfad vom ZUM Unterrichten verwendet werden. Daran anschließend erhalten die SuS „hybride Arbeitszeit“ mit einem festen Abgabetermin.
Feedback/Fazit: Die SuS erfanden die Aufgabe als recht umfangreich, konnten aber nach einer gewissen Gewöhnung an das Format selbstständig arbeiten. Eine Vorgabe, welchen Umfang die Sketchnote haben sollte, musste allerdings (noch) vorgegeben werden. Die Umsetzung der SuS war größtenteils recht ansprechend, eine Reflexionsphase ergab ordentliche Sachkenntnisse zum Thema „Stadt im Mittelalter“. Die SuS forderten eine Benotung ein, da sie diese Art von Leistungsnachweisen bevorzugen.
LALN 3: Erstellung eines Gedichteclips zu Eichendorffs „Nachtzauber“ (Deutsch Klasse 9)
Der „Erklärfilm“ ist auch so ein Evergreen, wenn es um neue Formate des Lehrens und Lernens geht. Pro und Contra zu diesem sind sicher schon genug veröffentlicht worden. In meiner Idee ging es aber nicht um das Konsumieren, sondern um die Erstellung eines eigenen Gedichteclips als „kleiner Leistungsnachweis“.
Ziel: SuS erstellen selbst einen „Gedichteclip“ und setzen dabei die Lerninhalte der Unterrichtssequenz „Romantik“ produktiv um. Im Unterricht wurde Eichendorffs „Nachtzauber“ analysiert und verschiedene YouTube-Clips gestreamt, bei denen mehr schlecht als recht das Poem rezitiert wird. Handlungs- und produktionsorientiert sollten die SuS aber nicht einfach nur ein weiteres Exemplar dessen erstellen, sondern eine Art „Kontergedicht“ unter der Überschrift „Tageshetze“ verfassen und bebildern. Der Vortrag wird wie oben schon erwähnt via Bildschirmaufnahme „vertont“, d.h. die SuS tragen ihr Gedicht mündlich vor. Die Abgabe des daraus entstandenen „Gedichteclips“ erfolgt über mebis (Aktivität „Aufgabe“).
Vorgehen: Die Epoche der Romantik wurde vorher im Unterricht ausführlich besprochen. Hierbei wurde der Schwerpunkt auf die im LehrplanPLUS genannten Motive gelegt und verschiedenste Texte und Gattungsformen thematisiert. Auch eine grundlegende Einführung in den Zeitraum wurde gegeben. Das kreative Um-, Weiter- und Neuverfassen von literarischen Vorlagen wurde an anderen Beispielen, auch in den Vorjahren, geübt. Insofern bildete das o.g. Ziel einen Abschluss der Unterrichtseinheit. Eine besondere Berücksichtigung erfuhr die Einhaltung des Urheberrechts. Die Software/App für die Erstellung des Clips wurde nicht vorgegeben.
Feedback/Fazit: Die SuS konnten sich recht schnell mit der Aufgabenstellung anfreunden, wenn auch manche durchaus Schwierigkeiten hatten, die Vorgabe des Originals zu kopieren (z. B. Reimschema). Der Fokus der Tageshetze lag bei vielen Beispielen vor allem auf der Vorweihnachtszeit, wobei die geforderten Romantik-Motive oftmals recht passend eingearbeitet wurden. In Sachen Urheberrechtseinhaltung und passender Bebilderungen mussten die Kenntnisse nochmals aufgefrischt werden. Die Benotung wurde als transparent von den SuS eingeschätzt, so dass der Bewertungsbogen wohl als brauchbar angesehen werden kann.
Die gezeigten Beispiele sind weder besonders kreativ oder sollen eine wie auch immer geartete „Benchmark“ darstellen. Sie sollen das sein, was oben angestrebt wurde – eine leichte Art neues Prüfen – unter den derzeit gültigen Rahmenbedingungen – zu ermöglichen und ein bisschen Anregung für Interessierte liefern. Dann kann das Goethe-Zitat vielleicht auch schnell ad acta gelegt werden. Denn Prüfen kann auch Spaß machen und dennoch herausfordernd sein (oder gerade weil diese Formate dies ja alle irgendwie sind?).